Die Seilbahn schwebt über den Dächern von Tiflis. Und die Statue “Mutter Georgiens” thront mit Wein und Schwert für Freund oder Feind über der Hauptstadt. Der Charme von Tiflis – eine Mischung aus mediterranem und orientalischem Flair. Mit dem 27-jährigen Reiseführer Lasha erkunden wir die Winkel der Altstadt. Viele Völker haben in der Geschichte Georgiens ihre Fußspuren hinterlassen: König Wachtang I. Gorgassali soll die Hauptstadt im fünften Jahrhundert gegründet haben, als er hier durch einen Zufall warme Schwefelquellen entdeckte.
“Wir sind jetzt im Herzen der Altstadt und dieser Ort ist für mich eigentlich eine Sammlung von verschiedenen Kulturen, zum Beispiel, wo wir uns jetzt befinden: Rechts von mir, das sind so Schwefelbäder. Das sieht sehr orientalisch aus. Die Perser haben dies im 17. Jahrhundert gebaut. Das sind so die Perser, die Georgier. Dann komme ich zu einer Moschee, die Minarette oben. Das ist eine einzigartige Moschee weltweit, wo die Sunniten und Schiiten zusammen hingehen. Und nebeneinander sieht man Moschee, Synagoge, georgisch-orthodoxe Kirche, armenische Kirche. Das ist eigentlich multikulti und es leben viele Nationen auf diesem kleinen Raum.”
Lasha Motsonelidze, Fremdenführer
Und auch mit Deutschland und Europa verbindet Georgien eine lange Tradition: Um die Landwirtschaft und das Handwerk zu kultivieren, kamen vor zwei Jahrhunderten Schwaben hierher. Universitätsprofessor Oliver Reisner gehört dem Verein zur Bewahrung des deutschen Kulturerbes im Kaukasus an. Er zeigt uns die ehemaligen Häuser der schwäbischen Siedler und Anhänger des protestantischen Pietismus, die eine Hungersnot und ihr Glaube in den Kaukasus trieb.
“Das ist hier so ein Balkon, der sich dann in der Stadtkultur entwickelt hat, wohingegen diese ganzen Fassaden mit der Stuckatur und so, das ist importiert aus Europa.”
Oliver Reisner, Professor Ilia Universität Tiflis
Die Kolonisten aus Schwaben kamen auf Einladung des Zaren, um die Region zu entwickeln.
“Die hatten Steuerbefreiung, Befreiung vom Militärdienst. Sie hatten Selbstverwaltungsrecht in deutscher Sprache und sie kriegten Kredite, um ihre Landwirtschaft aufzubauen.”
Oliver Reisner
Heutzutage ist die Weinkultur ein wichtiger Botschafter im In- und Ausland für Georgien, so sehr, dass nicht nur einheimische junge Leute, sondern auch junge Ausländer auf den Geschmack gekommen sind. Mit Lasha besuchen wir eine Wein-Bar, die Naturweine aus Georgien anbiete. Dort treffen wir Enek Peterson. Ihre erste Reise führte die gebürtige Amerikanerin und Musikerin vor fünf Jahren nach Georgien, um polyphonen Gesang zu studieren. Dort verliebte sie sich in das Land und die Natur und fing an, Weinanbau zu erlernen. Seit rund drei Jahren lebt sie in Tbilissi.
Weinprobe des erlesenen georgischen Weins: inzwischen gilt Enek als absolute Expertin:
“Als ich hierher kam, um Musik zu studieren, wurde mein Interesse für den Wein geweckt. Es war überhaupt das erste Mal in meinem Leben, dass ich Wein überhaupt mochte. Dann kam ich wieder hierher, um noch weiter Musik zu studieren und auch um über Wein mehr zu erfahren. Ja, und dann entschloss ich mich, das Land nicht mehr zu verlassen.”
Enek Peterson, Musikerin und Wein-Expertin
Der georgische Wein hat dabei seinen ureigenen und unvergleichlichen Geschmack:
“Das Besondere an den Weinen ist die Methode, wie die Georgier den Wein keltern, eigentlich. Deswegen hat der Weißwein auch so eine spezielle Farbe.”
Lasha Motsonelidze, Fremdenführer
Für unsere Reise zum jahrtausendealten Kulturgut Wein fahren wir in die alte Weinbauregion Kachetien. Wein, so heißt es, ist ein Teil der georgischen Seele. Wir sind mit dem 28-jährigen Shota Lagazidze verabredet, der reinen Biowein auf traditionelle Weise herstellt.
“Wie die Leute, die Einheimischen, den Wein produzieren, das ist das, was wir hier unten sehen. Das sind Amphoren, die nennen wir Kwewri, die Georgier. Das wird alles in die Erde eingegraben und hier keltern wir den Wein.”
Lasha Motsonelidze
Frühlingserwachen in Georgien. Das Land am Rande Europas sterbt nach Westen und nach mehr Aufmerksamkeit.